An vielen Bäumen kann man bereits einige trockene Blätter sehen, einige sind sogar fast kahl. Nur wenige Tiere jagen nach trockenen Blättern, und einige Schmetterlinge machen sich dies sehr geschickt zunutze. Tausende von Jahren der Evolution haben ihnen eine fantastische Tarnung verliehen: Sie sehen genau wie ein trockenes Blatt aus. Sie haben sogar Blattadern und winzige Verfärbungen und Unregelmäßigkeiten. Keiner dieser Schmetterlinge gleicht dem anderen, und einige Exemplare imitieren einen Pilz auf dem Blatt, wie z. B. Mehltau, der lebensecht aussieht. Die Gattung der Schmetterlinge mit dieser unglaublichen Tarnung heißt Kallima oder Blattfalter, und es gibt mehrere Arten davon in Asien. Das Missionsmuseum hat im Schmetterlingskabinett eine wunderbare Auswahl an Blattschmetterlingen aus verschiedenen Regionen.
Wann und wie diese Schmetterlinge in das Missionsmuseum kamen, wissen wir nicht genau. In den Archiven des Museums, die Hunderte von Listen mit lateinischen Namen von Schmetterlingen und Insekten in winziger alter deutscher Handschrift enthalten, ist es wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Das Schmetterlingsschrank selbst bietet einen gewissen Trost: Die Schmetterlinge unten links und rechts auf dem Vitrine wurden in den 1970er Jahren in den Hochebenen von Malaysia gesammelt (in einer Höhe von 1.200 bzw. 1.600 Fuß), was eine Neuheit ist. Diese Art heißt Kallima paralekta und wird von dem berühmten Evolutionsforscher Alfred Russel Wallace als eines der besten Beispiele für Schutztarnung durch natürliche Auslese angeführt.
Die beiden anderen etikettierten Schmetterlinge sind älter, ein Schwarzstift-Manuskript beschreibt die Kallima limborgii und die Kallima horsfieldi. Auf Java bzw. Sri Lanka gesammelte Arten. Die erstgenannte Art ist sogar datiert, sie 1911 gesammelt wurde. Das ist 20 Jahre vor der Eröffnung des Museums in seiner heutigen Form, aber zu einer Zeit, als Bruder Berchmanns bereits aktiv war. Es ist also gut möglich, dass dieser Schmetterling schon seit der ersten Stunde des Museums bei uns im Schmetterlingskabinett zu sehen ist.
Die "andere" Seite der Schmetterlinge mit ihrem leuchtenden Blau und dem strahlenden Orange ist auffallend schön. Aber Alfred Russel Wallace beschreibt, dass "sie, sobald sie zwischen den toten Blättern gelandet sind, praktisch unsichtbar sind und nicht wieder aufzufinden sind. Man sieht sie nur, wenn sie wieder wegfliegen". Trotz ihrer Schönheit stechen die "offenen" Blattfalter unter den Hunderten von brillanten Exemplaren im Schmetterlingskabinett des Missionsmuseums nicht hervor. Trockene Blätter hingegen hat man hier im Handumdrehen erspäht.